TRAUM ZEIT PORTAL – Im Schatten des Würfelspiels

Zögernd öffnete ich die Augen und blinzelte. Schräge Sonnenstrahlen fluteten durch das undichte Dachgebälk und tauchten die Gegenstände in meinem Blickfeld in Licht und Schatten. Die Stille war erdrückend. Mühsam drehte ich den Kopf zur Seite und sog gierig die staubige, von der Sonne aufgeheizte Luft ein. Alles um mich herum war mir vertraut, der Tisch mit den drei Beinen, die zwei wackligen Sessel, die ich von unserem Dachboden abgezweigt hatte, unser Vorratseck! Offensichtlich hatte ich ein gemütliches, erholsames Nickerchen in unserem Baumhaus abgehalten. Ich überlegte …, irgendetwas stimmte nicht! Plötzlich erinnerte ich mich daran, dass ich geträumt hatte, aber was? Und warum war Lukas nicht da? War er ohne mich angeln gegangen? Seltsam war außerdem, dass ich kerzengerade auf dem Boden lag wie eine Mumie. Ich setzte mich auf. Die Hitze war unerträglich und ich spürte, wie der Schweiß meine Schläfen entlanglief und auf den Boden tropfte. Als ich mir mit dem Handrücken über das Gesicht wischen wollte, bemerkte ich ein schwarzes Band, das um meine Hand gewickelt war. Verblüfft starrte ich darauf. Woher kam dieses Band? Lukas lauerte bestimmt in der Nähe und lachte sich schief, weil ich eingeschlafen war. Unvermutet spürte ich ein Ziehen an meiner rechten Hand, die das Band hielt. Seltsam, was war hier los? Ein leises Rascheln ließ mich aufspringen. Pluto, die Ringelnatter! Ich hasste Schlangen, doch sie störte sich nicht im Geringsten an meiner Abneigung und schaute ab und zu bei unseren Vorräten vorbei. Voller Abscheu stampfte ich laut auf, um sie zu verscheuchen. Da bemerkte ich, dass es nicht Pluto war, die dabei war, sich davon zu schlängeln, sondern das schwarze Band, das ich krampfhaft umklammerte. Sprachlos starrte ich auf das schlängelnde Etwas und urplötzlich brach die Erinnerung an das, was geschehen war, wie eine gigantische Welle über mich herein.
Ich bin elf Jahre alt und kenne keine Angst. Aber das, was ich erlebt habe, ist so unglaublich, dass ich den Verdacht habe, es war nur ein Traum. Ein Albtraum allerdings! Dabei hat alles ziemlich harmlos angefangen. „Karla ist eine Verrückte“, erklärte Lukas, mein bester Freund, von Zeit zu Zeit und er musste es wissen, schließlich wohnte er Gartenzaun an Gartenzaun mit Karla. „Die Köhlers sind komische Leute“, sagte er jedes Mal, wenn wir am Haus der Köhler`schen Familie vorbeikamen. Frau Köhler schaut aus wie eine Hexe und Karla hat genauso rotes Haar wie ihre Mutter.“ Er blinzelte mich wissend an. Ich musste damals lachen, denn ich wusste, dass Lukas eifersüchtig war. Er mochte es nicht, wenn Karla und ich ohne ihn etwas unternahmen. Dabei hätte er mit seinem Meer von Sommersprossen und seinem rotblonden Haarschopf ebenfalls gut in diese Familie gepasst. Aber mir ist das Lachen inzwischen gründlich vergangen.